Ein Film entsteht

Idee

Die Idee zu einem Film über die RGT kam mir tatsächlich zum ersten Mal nach einem Gespräch mit Ernst. Ernst hat sich sein ganzes Leben lang in vielen Ehrenämtern sehr für die Rudergesellschaft engagiert und den Verein gelebt. Seine Schilderungen vergangener, glanzvoller Tage aber vor allem seine Begeisterung für den Sport hatten mich beeindruckt. Also, dachte ich mir, was ist schneller gemacht als fix ein paar schöne Bilder gedreht und zusammen mit ein paar historischen Fotos aus dem Archiv und einer netten Musik arrangiert – Du bist doch Profi ...

Gesagt, getan, ich habe Rolf vor drei Jahren das Projekt vorgestellt. Rolf war auch sofort angetan und drückte mir das Buch zum 100 jährigen Bestehen der RGT und weitere Chroniken und Schriften in die Hand. Mit Ernst machte ich gleich einen Termin im Archiv unseres Vereins aus und begann zu drehen. 2016 sammelte ich etliche Bilder, sei es beim Anrudern, bei der Wanderfahrt auf der Mosel, beim Schnupperkurs, dem Einer-Training, am Fühlinger See und eine ganze Reihe von Slow-Motion-Aufnahmen vom Jugendtraining. Zur Bernkasteler Regatta schickte ich sogar noch einen freien Mitarbeiter mit dem Auftrag, Bilder zu drehen. Das musste genügen – schon im nächsten Jahr würde der Film fertig sein – dachte ich ...

 

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Recherche und Konzept

Zwischendurch – es war Anfang 2017 - hatte ich mich mit den div. Chroniken der RGT beschäftigt und war vor allem in den alten Bildern aus dem Archiv versunken – diese Schätze hatte Ernst mir gezielt vorgestellt und ich hatte sie tw. eingescannt. Aber irgendwas passte da nicht zusammen – im Fachjargon spricht man von einer Text/Bild-Schere – Inhalt und Bild stimmen nicht überein. Fangen wir mit den Inhalten an. Wer in der heutigen Zeit einmal die Schrift zum 100 jährigen Bestehen der Rudergesellschaft durchgearbeitet hat, ist sicherlich etwas irritiert. Frauen kommen in dieser Geschichte der RGT praktisch nicht vor. Nun gut, jedes Dokument ist ein Kind seiner Zeit. Heute sind mehr als die Hälfte unserer aktiven Mitglieder Frauen. Auch 1983 gab es bereits Frauen in der RGT auch in den 70ér Jahren und in den 30ér Jahren, den 20ér Jahren und es gibt sogar ein Foto von 1906 mit FRAUEN in einem Ruderboot. Möglicherweise waren alle diese Fotodokumente geschickt angelegte Fälschungen weil Frauen eben niemals in der RGT gerudert sind!? Ich brauchte dringend Fachliteratur und fand dabei die Dissertation „Die Entwicklung des Frauenruderns in Deutschland“ von Dr. Anne Hutmacher – schlappe 500 Seiten. Ich war dann erstmal beschäftigt. Überhaupt sollte ich 2017 ganz schön beschäftigt sein. Daran hatte auch Burkhard seinen Anteil. Als sogenannter „junger Erwachsener“ wurde ich auf einer Veranstaltung von ihm mehr oder weniger zwangsverpflichtet, an der Ruderwanderfahrt auf der Lahn teilzunehmen. Und das war gut so. Zwischendurch hatte ich die Dissertation von Frau Hutmacher gelesen und kannte mich mit der Entwicklung des Rudersports – insbesondere des Damenrudersports in Deutschland ganz gut aus. Aufgrund dieser Faktenlage kam ich zu dem Schluss, dass die Chroniken der RGT ein wirres Durcheinander von Fakten und Anekdoten darstellen und als Grundlage für ein Drehbuch eher ungeeignet schienen. Ziemlich genau in diesem Moment rief Rolf an und fragte, wie ich denn mit dem Film vorankommen würde. Zum Glück musste ich dann aber mit auf Wanderfahrt und machte das, was ich am besten kann – die Leute mit meiner Puschel-Kamera nerven. Tatsächlich ist es nicht ganz trivial, eine Kamera zu finden, mit der man auf Wanderfahrt im und aus dem Boot drehen und noch Interviews machen kann. Vier Tage nach der Wanderfahrt fragte mich Helena, wann der Film denn nun fertig sein würde. Ich beschloss, kein weiteres Bild mehr von der RGT zu drehen und Rolf zu besuchen. Ich erläuterte Rolf kurz mein Problem mit der mehr oder weniger völlig wirren Zeitachse der Chronik. Dieses Problem war Rolf bestens bekannt. Wir fingen dann gemeinsam an, eine Art Zeitstrahl der Geschichte der RGT zu fertigen und Themen festzulegen, die in den Film sollten. Damit gab es eine erste konkrete Idee, wie der Film aussehen könnte. Sichtlich motiviert verabschiedete ich mich von Rolf, lächelte ihn an und erklärte, dass der Film sicher noch in seiner Amtszeit fertig werden würde. Jetzt lächelte Rolf. So breit, wie ich ihn noch nie habe lächeln sehen ...

Im Winter 2017/2018 schlief ich nicht besonders gut – die Fotos von den Frauen der RGT ließen mich einfach nicht los. Sollte ich mich in Therapie begeben? Alles Fälschungen? Musste die Geschichte der RGT neu geschrieben werden? Warum sollte ausgerechnet ich das tun? Sollte ich vielleicht einfach Interviews mit ehemaligen Vorsitzenden und älteren Mitgliedern führen? Ich hatte jede Menge Filmmaterial, viele historische Fotos und Dokumente aber ich hatte einfach keine zündende Idee. 

Am 24.03.18 war die Jahresmitgliederversammlung. Hoffentlich spricht mich keiner auf den Film an, dachte ich noch kurz als Rolf seinen Rücktritt ankündigte – er lächelte mich kurz an. Dann ergänzte er, dass er dieses Jahr aber noch zur Verfügung stehen würde. Jetzt hatte ich ein echtes Zeitproblem ...

Bis hierhin liest sich die Geschichte von der Entstehung des Films doch ganz unterhaltsam und tatsächlich könnte es so oder so ähnlich auch gewesen sein! Aber bis hierhin ist es eine Geschichte und kein Faktenbericht. Reine Fakten sind auch eher langweilig. Das gilt auch

 

für unseren Film. Das Projekt sollte unterhaltsam sein, dieGeschichte der RGT kurz zusammenfassen, den heutigen Verein darstellen und auch ein wenig Werbung für den Rudersport sein. Da kommt schon einiges zusammen! 

Tatsächlich hatte ich lange Zeit keine Idee, wie ich alle diese Wünsche an den Film so verbunden bekomme, dass die Story einerseits nicht zu sehr in der Vergangenheit liegt, andererseits aber auch nicht belanglos wird. Dabei war die Lösung so simpel und naheliegend und bei jedem Training vor meiner Nase: wir sind ein Ruderverein – also ab in die Boote und die Geschichte runter rudern! 

Der erste Entwurf für ein Drehbuch war dann auch relativ schnell geschrieben – Ende Juli 2018 mailte ich Rolf aus Börfink ein noch sehr rohes Filmscript mit Szenen für ca. 6 Minuten Filmzeit – prognostiziertes Ziel waren damals ein Film von ungefähr 12 Minuten. Wir haben uns dann getroffen und gemeinsam Fakten und Texte geprüft und optimiert. Bis das Drehbuch dann final als Vorlage mit einem Text für den Profi-Sprecher stand, sollten noch 11 weitere Drehbuchversionen folgen. Ihr ahnt es, die meiste Arbeit steckt im Drehbuch und in den Details – das gilt auch für die Postproduktion, den Schnitt. Aber ein gutes Drehbuch erleichtert die Dreharbeiten ungemein. Am 8. September haben wir alle Szenen in den Booten und die Spielhandlung im Clubhaus an einem Tag abgedreht. Das ging vergleichsweise schnell. 

Exemplarisch für die Arbeit am Buch sei hier das Thema „Frauen in der RGT“ kurz erläutert. Es gibt tatsächlich den Widerspruch, dass die von der RGT publizierten Festschriften und Chroniken den Eindruck erwecken, dass Frauen in der RGT eher nicht leistungsmäßig gerudert sind. Dagegen finden wir im Archiv aber zahlreiche Fotos von Damen, deren Körpersprache anzeigt, dass sie sicher nicht nur mit Stilrudern beschäftigt waren. Stilrudern war übrigens ein Wettbewerb nur für Damen, bei dem die Ästhetik des Bewegungsablaufes bewertet wurde. Kein Scherz. Der Rudersport war anfangs elitär geprägt und sehr lange Zeit (teils bis heute) männlich dominiert. In den Gremien und Verbänden hatten Frauen wenig bis nichts zu sagen. Es gab Mediziner, die Frauen das Rudern aus gesundheitlichen Gründen verbieten wollten. Auch kein Scherz. Ich hatte nun die steile These entwickelt, dass die RGT-Damenriege aus der 30ér Jahren Regatten gerudert sein musste – also Wettkampfrudern betrieben hat. Wettkämpfe waren aber eher den Herren der Schöpfung vorbehalten. Als mögliche Quellen hatte ich ältere Mitglieder befragt, ob die Damen der RGT vor und nach dem 2. Weltkrieg denn Wettkämpfe gerudert sein könnten. Die männlichen Mitglieder verneinten diese Option unisono aber Christa hatte eine gute Idee! Gemeinsam mit Christa habe ich die Wettkampflisten aus den 30er Jahren geprüft und siehe da, die RGT-Damen sind 1934 Regatten gerudert! Auch in den 50ér Jahren gab es eine sehr erfolgreiche Damenriege, ein Fakt, der der Chronik zum 100 jährigen Bestehen der RGT tatsächlich einen Halbsatz wert gewesen ist. 

Ein Anliegen der Arbeit am Buch lag darin, die bekannten Fakten über die RGT so zu ordnen und zu bewerten, dass sie einer heutigen Sichtweise der Ereignisse entsprechen. Ein Film soll unterhalten und kann von daher nicht alle Kapitel der Vereinsgeschichte untersuchen. Diese Aufgabe ist eher der Job für eine neue und moderne Chronik der RGT- vielleicht zum 150 jährigen Bestehen! Einen Aspekt will ich hier aber nicht verschweigen. Natürlich dürfen wir davon ausgehen, dass zu den Gründern und frühen Mitgliedern der Rudergesellschaft viele Mitbürger jüdischen Glaubens gehört haben. Und wir müssen davon ausgehen, dass die meisten dieser Mitglieder die Nazizeit nicht überlebt haben. Auf dem Gelände der RGT finden wir zwar ein Denkmal für die Gefallenen Mitglieder beider Weltkriege aber in den erhaltenen Schriften nicht einen einzigen Satz zu den vermutlich vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitgliedern. 

Fertigstellung

Nun soll der Film sich aber nicht nur mit der Geschichte der RGT beschäftigen, sondern auch den Spaß und die Vielfalt unserer Aktivitäten rund um den Rudersport dokumentieren. Ich durfte im Herbst 2018 also noch ein paar Mal zur Kamera greifen und drehen. Die Länge des Films wuchs in dieser Zeit auf beachtliche 17 Minuten. Für alle technisch Interessierten; ich schätze, dass ich insgesamt einen Arbeitstag nur damit verbracht habe, ein sogenanntes Rig zu bauen, zu testen und wieder zu verwerfen und neu zu bauen, mit dem ich dann die Szenen in den Booten drehen konnte. Schließlich muss die Konstruktion leicht, flexibel und so handhabbar sein, dass ich neben der Filmerei noch das Boot steuern kann.

Im Winter 2019 habe ich viel Zeit in Börfink damit verbracht, die zahlreichen Scans der historischen Fotos in eine dramaturgisch schlüssige Reihenfolge zu bringen und vor allem die alten Bilder und die zahlreichen Videoschnipsel mit einem Sprechertext zu synchronisieren. Dabei sind Tage und Wochen ins Land gegangen und immer neue Drehbuchversionen fanden ihren Weg durch die 56K-Mail Verbindung vom Hunsrück zu Rolf. Dennoch verfehlte ich mein Ziel – nicht nur weil ich statt einem Film gleich 3 Filme produziert habe. In der Postproduktion werden im Schnitt alle Elemente eines Films zusammengefügt. Mit einem Layout-Sprechertext von mir wurde zunächst eine grobe Fassung erstellt. Diese wurde später durch den, von einem Profi-Sprecher eingesprochenen Text, ersetzt. Damit stand das Timing des Films fest. Nun mussten nur noch die finalen Bild- und Tonkorrekturen erledigt und der Film gerendert werden. Die Postproduktion wurde übrigens von Johannes abgearbeitet, den wir vielleicht mal im Ruderboot begrüßen können. Johannes hat wohl um die 45 Stunden Arbeit in die Filme investiert. Davon haben wir gute 30 Stunden gemeinsam vor dem Monitor gesessen und um jedes Bild gerungen. Der größte Zeitaufwand lag tatsächlich in der Aufbereitung und Animation der alten Fotos, den 1,5minütigen Trailer haben wir dagegen in knapp 1,5 Stunden geschnitten!

 

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Und so wurden die drei Filme Ende März fertig – nicht mehr ganz in der Amtszeit von Rolf aber der hatte es ja schon kommen sehen, dass ich nicht rechtzeitig fertig werden würde.

Die Premiere im Trierer Kino Broadway erfolgte dann am 07.04.2019.

Bericht: Uwe
Fotos: Rado und Uwe